Der erste Tenor auf Kulturtrip nach Traben - Trarbach


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Es ist Freitag, der 12. September 2003 gegen 6.00 Uhr. Die Sonne macht gerade die ersten zaghaften Bemühungen aufzugehen. Umliegende Wiesen sind bedeckt mit einem Flaum von Nebel, aus dem nur ein kleiner oberer Teil der Pfähle herausschaut. Der heranrückende Herbst zeigt sich hier von einer seiner schönsten Seiten.

Am Cloppenburger Bahnhof ist es um diese Zeit noch sehr gespenstisch. Kein Mensch weit und breit zu sehen, die Türen zum Gebäude noch verschlossen. Lediglich die brennenden Lampen beweisen, dass es sich hier nicht um einen verlassenen Geisterbahnhof handelt und hier möglicherweise Züge vorbeifahren oder anhalten um Fahrgäste mitzunehmen oder diese aussteigen, da sie hier in Cloppenburg ihr Ziel erreicht haben.

Plötzlich wird diese eigentliche Idylle von einem absolut artfremden, in dieser Gegend nie vernommenen Signal zerstört. Man traut seinen Ohren nicht und hört noch einmal genau hin, da ein Signal von einem Jagdhorn weder in die Innenstadt von Cloppenburg noch zu dieser Tageszeit paßt.

Des Rätsels Lösung ist schnell parat: Es ist der Beginn eines kulturellen Ausflugs des ersten Tenors des MGV-Nikolausdorf über das Wochenende in das 450 Kilometer entfernte Traben - Trarbach an der Mittelmosel, und die Deutsche Bahn AG sollte uns dahin bringen. Der ruhestörende "Jäger" war Ludger, seines Zeichens Leiter der Jagdhornbläsergruppe in Garrel, und offensichtlich fest überzeugt sein Jagdhorn auf dieser Reise irgendwann einmal nutzbringend anzuwenden.

Die Reisegruppe bestand insgesamt aus acht Männern. Einen Sangesbruder mußten wir leider da lassen, da dieser wenige Tage zuvor von einer ernsten Krankheit heimgesucht wurde und er sich von daher zur Genesung im Krankenhaus befand. Er wurde aber von uns über Telefon regelmäßig über unsere Aktivitäten informiert, die dann sein Leiden logischerweise noch mehr verschärften und somit den Heilungsprozess verzögerten.

Diese Fahrt war die erste große Fahrt des 1. Tenor, und sollte sich stark abheben von "kümmerlichen" Unternehmungen andere Stimmen des MGV-Nikolausdorf, wo die Zeit der Zugfahrt mehr als 80 % der gesamten Reisezeit in Anspruch nimmt. (Anmerkung des Verfassers: Die phonetische Ähnlichkeit zwischen dem gerade erwähnten Attribut "kümmerlich" mit dem Halbbitterlikör "Kümmerling" ist gewollt)

Der unbeteiligte Leser dieses Bericht wird sich fragen, warum gerade Traben - Trarbach als Reiseziel ausgewählt worden ist ? Die Antwort ist wie folgt einfach zu beantworten:

1. Die Gegend an der Mosel ist einer der ältesten schon von den alten Römern mit geformten Kulturlandschaft Deutschlands. Zahlreiche Denkmäler, malerische Ortschaften und die vom Weinbau geprägten Hänge links und rechts der Mosel sind immer wert besichtigt zu werden.

2. Die Doppelstadt Traben - Trarbach war um 1900 nach Bordeaux in Frankreich der zweitgrößte Umschlagplatz für Wein in der Welt. Von Traben - Trarbach aus wurden die erlesenen Rieslingtropfen zum größten Teil per Schiff zu Spitzenpreisen versandt. Dieses und in Verbindung mit einer Zollpolitik des Deutschen Kaiserreiches, das Importe von billigeren Weinen nahezu unmöglich machte führte bei einigen "Weinbaronen" zu großem Reichtum, der heute leider nur einigen wenigen Weinhändlern zu Teil wird. Zeugen dieses Reichtums sind wunderbare Villen, Hotels, Weinkellereien etc. im Jugendstil. Errichtet wurden diese Gebäude von dem in seiner Zeit berühmten Berliner Architekt Bruno Möhring, dessen hohen Honorare von den Bauherren gerne bezahlt worden sind.

3. Der Reiseführer war im Preis inbegriffen, da ich, bevor es mich nach Nikolausdorf zog, dort mit meiner Familie mehr als fünf Jahre gewohnt habe, und somit die örtlichen kulturellen und andere Gegebenheiten bestens kenne.

Um 6:30 Uhr betraten wir zum ersten Mal einen Zug, der uns das Reiseziel ein wenig näher bringen sollte. Nach fünfmaligem Umsteigen sollte die Zugfahrt planmäßig sieben Stunden betragen. Da aber mittlerweile Zugverspätungen bei der Deutschen Bahn AG leider normal sind, hat diese Reise mehr als neun Stunden betragen. Da wir auf der Rückfahrt ähnliches erlebten, steht zumindest für mich fest, dass ich so weit wie möglich in Zukunft die Dienste der Deutschen Bahn AG nicht mehr in Anspruch nehmen werden. Der oft propagierte Slogan "Unternehmen Zukunft" sollte umbenannt werden in "Unternehme verspätete Ankunft". (Anm. des Webmasters: So weit zum Thema "80 % der Reisezeit im Zug"!)

Für Verpflegung (Essen und Trinken) war bestens gesorgt. Es war nahezu alles da, was sich ein Gourmet auf Reisen in die Fremde wünscht. Die Auswahl von Käsehappen bis Schinkenwurst, von Schnitzel bis Wassermelonen, war groß und schier unendlich und reichte bis zur Rückfahrt. Die Trinkvorräte und deren Reichweite in Zusammenhang mit reisenden Nikolausdörfern zu erwähnen ist überflüssig und kann sich jeder ausmalen.

In Traben - Trarbach angekommen haben wir keine lange Zeit in unserem kleinen aber feinem Hotel "Trabener Hof" verbracht, um so schnell wie möglich die ersten kulturellen Denkmäler zu besichtigen.

Quasi nebenan war der sogenannte "Aacher Hof", dem ältesten Gebäude in Traben - Trarbach. Die Geschichte dieses Hofes geht zurück bis in die Zeit um Karl den Grossen, als Ludwig der Fromme diesen Hof als Schenkung erklärte. Besonders interessant waren für uns auch die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte dieses Hauses, insbesondere die flüssige Veredlung von Obst aus der näheren Umgehung, die wir intensiv verkosten durften. Dem Wirt "Henner" von hier aus noch die besten Grüße.

Weiter ging es dann gegen Abend zu einer sogenannten Straußwirtschaft, einem Weinbauunternehmen, dass eigen hergestellte landwirtschaftliche Produkte zeitlich begrenzt verkaufen darf. Noch heute erinnern wir uns gerne an den dort angebotenen und reichlich verspeisten "Saumagen moselaner Art" mit den dazu nötigen Getränken als Gegengewicht. Jedem wurde jetzt klar, wie schwer die Arbeit im Weinberg sein muss, um solches Essen verbrennen zu können. Sollte unser Sangesbruder Günther in seiner Kreativwerkstatt den Saumagen ebenso herstellen können, freuen wir uns jetzt schon auf eine Einladung zum Probeessen.

Der nächste Tag war geprägt von einer Schiffsreise nach Bernkastel-Kues, vorbei an bedeutenden Ortschaften und weltberühmten und uralten Weinlagen wie Kröver Nacktarsch, Erdener Treppchen, Ürziger Würzgarten, Wehlener Sonnenuhr, Graacher Domprobst, Bernkasteler Doktor usw.. Da Blicke auf die Weinlagen in der Regel sehr trocken sind, konnte eine entsprechende Verkosten auf dem Schiff für den notwendige Ausgleich sorgen. Bernkastel-Kues, berühmt durch seinen überragenden Fachwerkhäuser, war sehr stark von anderen Kulturtouristen überfüllt, so dass wir nach einer kleinen aber intensiven Rast im Schatten der Fachwerkgiebel bald wieder die Rückreise mit dem Schiff angetreten sind, um so die Verkosten der Weine in umgekehrter Reihenfolge anzutreten. Abgerundet wurde der intensiv genutzte Tag mit einer kulturellen Führung durch das Vergnügungsviertel von Traben - Trarbach, mit dem ehemaligen Gefängnis als Höhepunkt. Alle Sangesbrüder konnten sich von der Härte des damaligen Strafvollzugs in der Moselmetropole überzeugen. Erst nach Zahlung einer deftigen Geldstrafe für Getränke konnten wir wieder dann als freie Sänger unser Hotel aufsuchen.

Mittelpunkt des darauf folgenden Sonntags war bis zur Abreise nach Nikolausdorf eine Teilnahme an einem Weinseminar mit Besichtigung von Weinlagen auf Trabener Seite mit anschließender Besichtigung eines Winzerbetriebes. Die Verkostung konnte nicht wie gewohnt durchgeführt werden, da der Zug gegen 17.00 Uhr nicht auf uns warten wollte.

Verbunden mit der positiven Erkenntnis, dass zum einen die Bahn AG sehr nette Bistros hat ( und das ist auch die einzig positive Erkenntnis von der Bahn AG) und dass wir eine ähnliche Reise im nächsten Jahr wiederholen wollen, kamen wir gegen 24.00 Uhr in Cloppenburg an und wurden dann dankenswerte Weise von einigen Familienmitgliedern nach Hause gebracht.

Bis auf ein Neues,

vielleicht wird dann von einer Fahrt nach Flensburg berichtet.

In diesem Sinne,

Franz - Josef Höper


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